Ein Modell revolutioniert eine Marke
1954 startet Alfa Romeo die Umstrukturierung zum Großserienhersteller
Coupé, Cabriolet und Limousine werden insgesamt 180.000 Mal gebaut
Das neue Auto hatte eine bedeutende Mission – das langfristige Überleben von Alfa Romeo zu sichern. Anfang der 1950er stand das Mailänder Traditionsunternehmen, wie so viele Firmen im Italien der Nachkriegszeit, unter Verwaltung des staatlichen „Istituto per la Ricostruzione Industriale“ (IRI). Generaldirektor Francesco Quaroni stand vor der schwierigen Aufgabe, mit Alfa Romeo den Wandel vom Hersteller exklusiver und entsprechend teurer Luxus- und Sportwagen zum Großserienhersteller zu vollziehen.
Seit der Gründung 1910 waren die in Kleinstserien gefertigten Fahrzeuge der „Società Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“ (übersetzt etwa Aktiengesellschaft Lombardische Automobilfabrik, abgekürzt A.L.F.A.) in aufwändiger Handarbeit hergestellte exklusive Produkte und weitgehend der feinen Gesellschaft vorbehalten.) Mit dem Entstehen einer Mittelschicht nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich Alfa Romeo, wie die Konkurrenz auch, mit der Großserienproduktion auseinandersetzen.
Das Konzept – Rennsport-Technologie für jedermann
Ein erster Schritt in diese Richtung war der 1950 präsentierte Typ 1900. Von dieser Oberklasse-Limousine wurden innerhalb von neun Jahren rund 19.000 Exemplare gebaut. Im Vergleich mit bisherigen Produktionszahlen bei Alfa Romeo eine gewaltige Summe. Doch um die wirtschaftliche Neuorientierung der Marke zu vervollständigen, bedurfte es eines deutlich kleineren, preiswerteren Modells mit viel höheren Stückzahl-Erwartungen – das Projekt Giulietta wurde gestartet. Allein schon der Name symbolisierte die Aufbruchsstimmung. Zum ersten Mal wurde nicht nur eine nüchterne Zahl als Typenbezeichnung verwendet. Mit der Modellbezeichnung Giulietta sollten emotionale Assoziationen mit einer jungen Frau geweckt werden.
Unter der Leitung von Chefingenieur Orazio Satta Puliga erfolgte die technische Konzeption und Umsetzung der Baureihe mit dem Code 750. Für die Technik waren Ingenieure zuständig, die zuvor erfolgreiche Rennwagen oder Luxuskarossen vom Schlage eines 6C 2500 entwarfen. Rudolf Hruska, gebürtiger Wiener und seit 1951 für Alfa Romeo tätig, war als Projektleiter zuständig für die interne und externe Koordination aller Giulietta Aktivitäten. Das Ergebnis sprach für sich. Und das trotz eines Preises nur knapp über der Hälfte eines Alfa Romeo 1900.
Der Motor für die Giulietta ist mit 1.300 Kubikzentimeter Hubraum zwar das bis dahin kleinste Serientriebwerk in der Geschichte von Alfa Romeo. Doch er verkörpert Rennsport-Technologie in Reinkultur. Motorblock, Zylinderkopf und sogar die Gehäuse für das Vierganggetriebe und das Hinterachsdifferenzial sind aus Aluminium gefertigt. Die Ventilsteuerung übernehmen zwei obenliegende Nockenwellen, die Brennräume haben hemisphärische Form. Auch mit seinem markentypisch kernigen Klang hebt sich der drehfreudige Vierzylinder aus der Menge heraus.
Rennsporttechnik auch beim Fahrwerk. Die Vorderachse wird von doppelten Dreiecksquerlenkern, Federbeinen und einem Stabilisator geführt. An der starren Hinterachse kommen Längslenker und ein zentrales Reaktionsdreieck zum Einsatz. Das Chassis weist einen Radstand von 2.380 Millimeter auf.
Alfa Romeo Giulietta Sprint – das Coupé macht den Anfang
Doch die verhältnismäßig neue Produktionsmethode mit selbsttragender Karosserie sorgte für unerwartete Probleme. Der zunächst für 1954 geplante Serienanlauf der Giulietta rückte in immer weitere Ferne. Das brachte die Firmenleitung in die Zwickmühle. Zur Finanzierung des neuen Modells war nämlich eine Lotterie unter Kleinaktionären veranstaltet worden, bei der Berechtigungsscheine für die ersten 1.000 Giulietta verlost wurden. Um die Gewinner – und die staatlichen Aufsichtsbehörden – zu beruhigen, entschloss sich Direktor Quaroni zu einem genialen Schachzug. Das zu diesem Zeitpunkt noch im Prototypenstadium steckende Giulietta Coupé sollte vorgezogen werden. Die kleinere Karosserie ließ weniger Probleme mit Verwindungssteifheit und Vibrationen erwarten. Außerdem sollten die erwarteten Stückzahlen von den erforderlichen rund 1.000 Exemplaren außerhalb des Stammwerks Portello gefertigt werden.
Die Turiner Designstudios Boneschi, Bertone und Ghia erhielten zunächst die Aufgabe, das Giulietta Sprint genannte Coupé fertig zu entwickeln. Der Entwurf der Allianz Bertone/Ghia setzte sich durch – ein erstes auch gemeinsam gefertigtes Vorserienmodell wurde im April 1954 der Presse vorgeführt. Der 65 PS starke 1,3-Liter-Vierzylinder ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h. Die Resonanz des Publikums war überwältigend, die Bestellungen überstiegen die anfangs geplante Stückzahl schnell um ein Vielfaches.
Kurz nach der Präsentation schied Ghia aus der Partnerschaft aus, Bertone musste die Produktion alleine bewältigen. Aus dem Handwerksbetrieb wurde so innerhalb kürzester Zeit ein Automobilhersteller, der sogar eigene Fertigungsmethoden entwickeln musste. 1961 lief im neuen Bertone-Werk in Grugliasco bei Turin der 20.000 Alfa Romeo Giulietta Sprint vom Band. Inklusive zweiter Serie (ab 1958 mit Schalthebel auf der Mittelkonsole, Getriebe mit Porsche-Synchronisierung, 80 PS Motorleistung für 170 km/h Höchstgeschwindigkeit sowie leicht modifizierter Front) und des 1963 präsentierten Modells Giulia Sprint (im Prinzip eine Giulietta Sprint mit 1,6-Liter-Motor) wurden bis 1965 rund 35.000 Coupés gebaut.
Alfa Romeo Giulietta Sprint Veloce – erfolgreiche Rennversionen
Der Motor des Alfa Romeo Giulietta Sprint war konstruiert worden mit dem Hintergedanken, für Renneinsätze Reserven zu bieten. Dies machte sich nun bezahlt. In der Veloce-Version (ab 1956) mit Doppelvergasern und erhöhter Kompression produzierte das Triebwerk bereits 90 PS. Dank eines mit Hilfe von Hauben und Türen aus Leichtmetall sowie Seitenscheiben aus Plexiglas auf unter 900 Kilogramm gesenkten Gewichtes dominierte das Mailänder Coupé bald bei allen wichtigen Rennen die beliebte 1300er Klasse in der seriennahen Kategorie. Mille Miglia, 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring, Targa Florio auf Sizilien, 12-Stunden-Rennen in Sebring, Bergrennen und Rallyes in ganz Europa, Eisrennen in Schweden – überall räumten Piloten des Giulietta Sprint Veloce die Siegerpokale ab.
Alfa Romeo Giulietta Zagato Sprint Veloce – Karosserie aus Aluminium
Für die so genannte Gran-Turismo-Kategorie entwickelte die Carozzeria Zagato eine noch spektakulärere Variante der Giulietta Sprint. Dank um 13 Zentimeter verkürztem Radstand mit verkleinerter, nur noch zweisitziger und komplett aus Aluminium gefertigter Karosserie sank das Einsatzgewicht inklusive Ersatzrad auf 840 Kilogramm. Gleichzeitig stieg die Motorleistung durch weitere Erhöhung der Kompression auf 100 PS. Die ausgefeilte Aerodynamik mit abgerundeter Karosserie und verkleideten Scheinwerfern sowie das neue Fünfganggetriebe ließen die Höchstgeschwindigkeit auf bis zu 200 km/h klettern.
Zwei unterschiedliche Varianten des Zagato Sprint Veloce (kurz SVZ) entstanden: ab 1960 genau 170 Exemplare mit Rundheck „Coda tonda“, ab 1961 die vom jungen Ercole Spada gezeichnete Version mit noch flacherer Karosserie, plexiglasverkleideten Scheinwerfern, Scheibenbremsen an der Vorderachse und Kammheck „Coda tronca“. Davon baute Zagato nur 30 Stück, praktisch alle wurden bei Rundstreckenrennen, Rallyes und Bergrennen eingesetzt. Heute ist der Alfa Romeo Giulietta Zagato Sprint Veloce ein gesuchter und entsprechend teurer Klassiker mit Preisen jenseits von 200.000 Euro.
Alfa Romeo Giulietta Sprint Speciale – radikale Aerodynamik
Technisch basiert der Giulietta SVZ auf einem aerodynamisch radikalen Entwurf von Bertone-Chefdesigner Franco Scaglione namens Sprint Speciale. Der Erfinder der spektakulären B.A.T.-Mobile auf Basis des Alfa Romeo 1900 kleidete das auf 2.250 Millimeter verkürzte Chassis mit einer extrem stromlinienförmigen Karosserie ein. Sie ist zwölf Zentimeter breiter und 14 Zentimeter länger als das serienmäßige Coupé und hat ein steiler abfallendes Heck. Die vergleichsweise langen Karosserieüberhänge über Vorder- und Hinterachse beeinträchtigen allerdings die Handlichkeit.
Zwar ermöglicht der auf 100 PS leistungsgesteigerte 1,3-Liter-Motor und das neue Fünfganggetriebe trotz des auf 950 Kilogramm gekletterten Leergewichts beeindruckende Fahrleistungen. Allerdings ist der Giulietta Sprint Speciale für Autobahnfahrten mit bis zu 183 km/h deutlich besser geeignet als für kurvenreiche Rennstrecken. Um der rennsporttauglicheren Zagato-Variante nicht in die Quere zu kommen, wurde die Bertone-Kreation deswegen als Luxus-Coupé für Langstreckenfahrten positioniert.
Etwa 1.250 Stück wurden zwischen 1957 und 1962 verkauft, von 1963 bis 1965 noch einmal rund 1.400 Exemplare der bis auf den 1,6-Liter-Motor nahezu identischen Giulia Sprint Speciale. Auch dieses Modell ist heute ein gesuchter Klassiker und nur selten unter 100.000 Euro zu haben.
Alfa Romeo Giulietta Berlina – die Limousine schlägt alle Rekorde
Im Frühjahr 1955 stand die mit Spannung erwartete Limousinen-Variante der Giulietta auf dem Turiner Autosalon. Von diesem Moment an hatte Alfa Romeo endlich ein auch für den normalen Angestellten erschwingliches Auto (Neupreis 1.375.000 Lire, rund 9.200 Deutsche Mark) im Angebot, das bis zu fünf Personen plus Gepäck transportieren konnte. Der Plan von Direktor Quaroni ging auf: Von der Giulietta Limousine wurden bis 1964 über 131.000 Stück verkauft, 1961 war mit einer Produktionszahl von rund 35.700 das Rekordjahr.
Mit 50 PS – ab 1958 mit 53 PS – war der Motor allerdings alles andere als ein Kraftprotz. 1957 legte Alfa Romeo leistungsmäßig nach und stattete die Variante Giulietta t.i. mit dem 65-PS-Motor des Sprint aus. Das war ganz nach dem Geschmack der Alfa Romeo Fans – im Laufe der Jahre wurden fast drei Mal so viele t.i. wie Standardversionen verkauft.
Die Buchstaben t.i. stehen für „Turismo Internazionale“ und geben einen Hinweis auf die Zweitverwendung des Modells als Tourenwagen im Rennsport. Tatsächlich erzielten Privatfahrer mit der Giulietta t.i. in der Hubraumklasse bis 1.300 Kubikzentimeter vor allem in Italien unzählige Siege.
Im Herbst 1959 präsentierte Alfa Romeo auf der IAA in Frankfurt überarbeitete Versionen sämtlicher Giulietta Derivate (Baureihencode nun 101). Die Front mit den charakteristischen „baffi“ (italienisch für Schnurrbart) erhielt dem Zeitgeschmack entsprechend mehr Chrom. Rückleuchten und Armaturenbrett wurden ebenfalls modernisiert. Außerdem wurde die Benzinpumpe nun nicht mehr am Zylinderkopf sondern am Motorblock montiert. Mit einer weiteren Modellpflege 1961 stieg die Leistung für die Limousine unter anderem dank eines elektrischen Kühlerventilators auf 62 PS, bei der Giulietta t.i. sogar auf 74 PS. Außerdem war die sportlichere Mittelschaltung mittels Hebel auf dem Kardantunnel – statt am Lenkrad – nun Serie.
Bei der Carozzeria Colli wurden 1959 rund 90 Berlina zu sechssitzigen Kombis umgebaut, die den Namen Giardinetta Promiscua tragen. Die Karosserie entspricht der zu diesem Zeitpunkt neuen Baureihe 101, die Motoren stammen allerdings noch von der alten Modellversion.
Alfa Romeo Giulietta Spider – Pininfarinas Meisterwerk
Maximilian Edwin Hoffmann betrieb in Österreich einen der größten Importhandel für Automobile, bevor er in den 1930er Jahren zunächst nach Frankreich und schließlich nach Amerika auswanderte. In New York gründete er die Max Hoffman Motor Car, die sich auf den Vertrieb europäischer Fahrzeuge spezialisierte. Als Generalimporteur für die gesamten USA hatte er großen Einfluss auf die Modellpolitik der von ihm betreuten Marken.
Und so hörte man auch bei Alfa Romeo genau hin, als Max Hoffman nach einer Cabriolet-Variante der gerade neuen Giulietta fragte. Ihm schwebte ein kleiner Zweisitzer für die Sonnenstaaten Kalifornien und Florida vor, der von den Kunden am Wochenende auch bei den beliebten Clubrennen eingesetzt werden konnte. Er sollte komfortabler sein als die weit verbreiteten Roadster britischer Herkunft. Mit einer funktionierenden Heizung, einem ordentlichen Verdeck und Seitenscheiben zum Kurbeln statt zum Stecken. Die Bedenken von Alfa Romeo, in Europa seien Cabriolets gerade nicht besonders in Mode, konterte Hoffman lässig – er bestellte kurzerhand ein Startkontingent von 600 Stück.
Die Designstudios Pininfarina und Bertone legten Entwürfe für einen zukünftigen Giulietta Spider vor. Basis sollte das noch einmal um fünf Zentimeter verkürzte Chassis des Sprint Speciale sein. Für Bertone griff Franco Scaglione zum Zeichenstift. Nach seinen Ideen entstanden schließlich zwei Prototypen, die Scagliones von den B.A.T.-Mobilen bekannte Handschrift trugen: geschwungene Linien mit futuristischen Details wie zu Heckflossen ausgeformte hintere Kotflügeln und in die Karosserie eingelassene Rückleuchten.
Pininfarinas Wettbewerbsbeitrag – umgesetzt in insgesamt drei Prototypen – fiel deutlich nüchterner aus. Kritiker sagen: nahezu eine verkleinerte Version des vom selben Team entworfenen Lancia Aurelia B24 Spider. Wie auch immer, heute gilt der Alfa Romeo Giulietta Spider als eines der schönsten Cabriolets aller Zeiten.
Die Entscheidung zugunsten Pininfarina fiel schließlich vor allem aus produktionstechnischen Gesichtspunkten. Scagliones Design wäre in der industriellen Fertigung nur teuer umzusetzen gewesen, darüber hinaus wurden Probleme mit den amerikanischen Zulassungsvorschriften befürchtet. Außerdem war Bertone zu diesem Zeitpunkt mit der Produktion der Giulietta Sprint ohnehin mehr als ausgelastet. Pininfarinas Spider musste dagegen nur in Details geändert werden: Windschutzscheibe und Armaturenbrett in weniger komplexer Form, Seitenscheiben zum Kurbeln, äußere Türöffner hinzufügen, auf speziellen Wunsch von Max Hoffman den Schalthebel vom Lenkrad auf den Kardantunnel verlegen, Stoßstangenhörner verkleinern.
Auf dem Pariser Autosalon und der Frankfurter IAA im Herbst 1955 wurde der Giulietta Spider präsentiert. Und schlug ein wie eine Bombe. Tausende von Kunden hätten das fast winzige, zweisitzige Cabriolet sofort mitgenommen. Die europäischen Fans mussten sich allerdings noch eine Weile gedulden – vertragsgemäß gingen die ersten Serienmodelle in die USA. Bis 1962 wurden schließlich rund 14.300 Giulietta Spider gebaut.
Charakteristisch für die Front sind der dominante, senkrecht stehende Kühlergrill und die relativ weit über die Vorderachse flach herunter gezogene Motorhaube. Die schlanke Seitenlinie wird betont von unterhalb der Türausschnitte verlaufenden Chromleisten. Auch die Kofferraumhaube läuft flach aus. Die hinteren Kotflügel bilden kleine Heckflossen, die auch die Rücklichter tragen.
Unter der Motorhaube arbeitet der 1,3-Liter-Motor des Sprint mit zunächst 65 PS. 1958 stieg die Leistung durch Doppelauspuffanlage und angehobene Verdichtung auf 80 PS. 1959 wurde der Giulietta Spider gründlich überarbeitet (2. Serie), auch hier änderte sich der Baureihencode von 750 zu 101. Der Radstand wuchs um fünf Zentimeter und war damit nun identisch zum Sprint Speciale. 1961 wurde die Giulietta Spider ein letztes Mal modernisiert (3. Serie). Es wurden bereits einige Elemente des ab 1962 vorgesehenen Nachfolgers Giulia Spider mit 1,6-Liter-Motor umgesetzt (z. B. etwas flachere Heckflossen mit größeren Rückleuchten, Details im Innenraum, das Verdeck verschwindet nun wieder komplett hinter den Sitzen).
Alfa Romeo Giulietta Spider Veloce – ideal für Clubrennen
Eine der Forderungen von Max Hoffman war, den Giulietta Spider tauglich für die an der Ost- und Westküste der USA beliebten Clubrennen zu machen. Aufgrund der ungünstigeren Aerodynamik, vor allem mit herab gelassenem Verdeck, war das Cabriolet jedoch zunächst dem Giulietta Sprint unterlegen. Abhilfe versprach der Giulietta Spider Veloce, der dank zweier Weber-Doppelvergaser und elektrischer statt mechanischer Benzinpumpe satte 90 PS leistete. Damit waren schon bessere Rundenzeiten drin, auch wenn im Gegensatz zum Sprint Veloce keine Leichtbauteile wie Aluminiumtüren und -hauben verbaut wurden.
Noch einen Schritt weiter gingen der durch den fast 100 PS starken Motor der Giulietta Sprint Speciale, Seitenscheiben aus Plexiglas und Weglassen der Türgriffe modifizierte Spider Veloce 750G sowie einige wenige zum Einsitzer verwandelte Versionen, Codename „Tipo Sebring“. Ex-Formel-1-Pilot Consalvo Sanesi startete mit dem kleinen Monoposto sogar bei der Mille Miglia 1956, kam aber nicht ins Ziel.
60 Jahre Alfa Romeo Giulietta – Comeback 1977 mit revolutionärer Keilform
Sportliche Limousine mit zukunftsweisendem Design und bis zu 170 PS
Transaxle-Antriebsstrang mit Getriebe und Kupplung an der Hinterachse
Mit diesem Modell verblüfften die Alfa Romeo Designer 1977 wieder einmal Fachwelt und breites Publikum. Das revolutionäre Design setzte Maßstäbe in der unteren Mittelklasse. Die aerodynamisch günstige Keilform der viertürigen Karosserie mit flachem Bug und in einem kleinen Spoiler auslaufendem Kofferraumdeckel nahm spätere Standards vorweg. Der Name dagegen knüpfte an die Vergangenheit an – Giulietta.
Die 1977er Giulietta ist eine moderne Interpretation des Vorgängers aus den 1950er Jahren. Der überraschend großzügige Innenraum weist zweifarbige Polsterstoffe und Türverkleidungen auf. Das Armaturenbrett wirkt aufgeräumt, nur der aufgesetzte Instrumentenblock ist gewöhnungsbedürftig. Ähnliches gilt auch für den Drehzahlmesser mit der gegen den Uhrzeigersinn laufenden Nadel. Das Lenkrad mit großem, rechteckigem Pralltopf verströmt seinerseits kaum Sportlichkeit.
Erst im Rahmen einer Modellpflege 1981 erhielt das dann Giulietta Super genannte Modell das für Alfa Romeo typische Dreispeichenlenkrad. Äußere Merkmale der zweiten Serie sind außerdem die mittig umlaufende graue Zierleiste und bei den hubraumschwächeren Modellvarianten der dunkel abgesetzte Steinschlagschutz im unteren Drittel der Türen.
So revolutionär die Karosserie ausfiel, so traditionsbewusst gingen die Alfa Romeo Ingenieure bei der Technik vor – sie griffen weitgehend auf Bewährtes zurück. Das Chassis gleicht dem der fünf Jahre zuvor präsentierten, schließlich sogar ein Jahr länger als die Giulietta verkauften Alfetta. Beide Modelle teilen sich deswegen den Baureihencode 116. Charakteristisch für die Vorderachse sind die längs liegenden Torsionsstabfedern. Die Hinterachse ist nach dem DeDion-Prinzip aufgebaut, ergänzt durch ein Watt-Gestänge. Nicht einmal Ferraris verfügten zu dieser Zeit über eine derart aufwändig geführte Hinterachse. Sie trägt außerdem Getriebe, Kupplung und Differenzial – die so genannte Transaxle-Bauweise ist ein Erbe aus dem Motorsport, das für besonders ausgeglichene Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse sorgt. Diese beiden Konstruktionsmerkmale sorgen für ein präzises und auch im Hochgeschwindigkeitsbereich sehr gut zu kontrollierendes Fahrverhalten.
Der zum Marktstart angebotene 1,6-Liter-Benziner mit 109 PS stammt ebenfalls von der Alfetta. Im Einsteigermodell Giulietta 1.3 verrichtet dagegen das überarbeitete Triebwerk der Giulia seinen Dienst. Der kurzhubig ausgelegte Vierzylinder leistet 95 PS. Mit einem Hub von 67,5 Millimeter bei einer Bohrung von 80,0 Millimeter erwacht sein Temperament so richtig erst bei hohen Drehzahlen. Ebenfalls aus dem Baukasten der Alfetta stammten die später nachgereichten Triebwerke mit 1,8 (ab 1979) und 2,0 Liter (ab 1980) Hubraum. 122 PS und 180 km/h Höchstgeschwindigkeit bzw. 130 PS und eine Spitze von 184 km/h klingen standesgemäßer als die 166 km/h des Basismodells.
Leistung pur – Giulietta Turbodelta mit 150 PS
Einen noch kräftigeren Nachschlag stellte die 1983 präsentierte Giulietta Turbodelta dar. Das ursprünglich als Homologationsgrundlage für den Motorsport gedachte Modell entstand bei Autodelta, der offiziellen Werkssportabteilung von Alfa Romeo. Dort hatte man mit einer Turbo-Version des Alfetta GTV bereits erste Erfahrungen gesammelt. Serienmäßig leistete der Zweiliter-Vierzylinder 150 PS, im Rallyetrimm wurden ihm etwa 350 PS nachgesagt.
Dieses Triebwerk machte aus der Giulietta einen Sportwagen. Der Turbolader stammt von Alfa Romeo Avio, zwei 40er Doppelvergaser besorgen die Gemischaufbereitung. Feinarbeiten lassen die Leistung auf 170 PS ansteigen. Damit ist die Giulietta 2.0 Turbodelta 206 km/h schnell und beschleunigt in acht Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Das Fahrwerk ist durch Bremsen mit innenbelüfteten Scheiben und je 2 Bremszangen pro Bremsscheibe an der Vorderachse sowie straffer abgestimmten Federn und Dämpfer an den Leistungszuwachs angepasst. Angeboten wurde eine einzige Karosseriefarbe: schwarz, aufgelockert nur durch einen umlaufenden roten Zierstreifen. Spezifische Leichtmetallfelgen sowie im Innenraum das Lederlenkrad, eine Batterie von Kontrollleuchten (Checkcontrol) und die Ladedruckanzeige sind weitere Kennzeichen der Giulietta Turbodelta.
Doch der exorbitant hohe Preis – mit Turbolader war die Giulietta fast die Hälfte teurer als die nicht aufgeladene Zweiliter-Version – hielt den Kundenkreis von vorneherein in engen Grenzen. Weil außerdem das Sechszylinder-Coupé Alfetta GTV6 für Erfolge auf der Rennstrecke und bei Rallyes sorgte, wurde auch der Gedanke an Motorsporteinsätze fallen gelassen. Die Giulietta Turbodelta sollte das neue Homologationsmodel für den Motorsporteinsatz sein und den in die Jahre gekommenen GTV ablösen. Da aber zugleich schon der neue Alfa 75 in den Startlöchern stand und die Giulietta ablösen sollte, entschied Alfa Romeo sich zugunsten des neueren Modells und baute auf Basis des 75 die zukünftigen Motorsport Modelle. Aus diesem Grund rollten gerade einmal 361 Exemplare der Giulietta 2.0 Turbodelta aus den Autodelta Hallen.
Mit einem besonders langen fünften Gang sind die EC-Versionen (für Extra Confort) von Giulietta 1.6 und 1.8 ausgestattet, die 1982 das Modellprogramm ergänzten. Dadurch sinkt der Verbrauch bei langen Autobahnfahrten merklich. Die EC-Modelle zeichnen sich außerdem durch eine gehobene Serienausstattung (u. a. elektrische Fensterheber, Leichtmetallräder und Stereo-Kassetten-Radio) aus.
1982 kam die Giulietta 2.0 ti in begrenzter Stückzahl auf den Markt. Anders als die Giulietta t.i. von 1957 hebt sich das Modell aber nicht durch Mehr-Leistung, sondern durch Mehr-Ausstattung von den anderen Modellversionen ab. Leichtmetallfelgen im Scheiben- oder Schaufelraddesign, elektrische Fensterheber und Zentralverriegelung sind serienmäßig an Bord.
Im Herbst 1983 wurde die Giulietta ein letztes Mal überarbeitet, sie hieß nun Giulietta L. Erkennungszeichen sind ein neuer Kühlergrill und die in Wagenfarbe lackierten, mit einem schwarzen Streifen verzierten Stoßfänger, vorne ergänzt durch Nebelscheinwerfer (außer 1.6 L). Im Innenraum fallen die nun größere, in einem abgerundeten Gehäuse steckende Instrumententafel, die geänderte Mittelkonsole und neue Stoffe für die Sitzbezüge auf.
Ab diesem Zeitpunkt war der 1,3-Liter-Basismotor nicht mehr im Angebot, dafür ergänzte ein Zweiliter-Turbodiesel die Palette. Die größeren Wasser- und Ölkühler sowie die Unterbringung zusätzlicher Schallschluckmatten erforderten einige Umbaumaßnahmen im Motorraum der Giulietta 2.0 TD L.
Nach rund 205.000 gebauten Exemplaren der ersten Serie, knapp 113.000 der zweiten Serie und über 61.000 Stück der dritten Serie lief die Produktion des zweiten Giulietta in der Historie von Alfa Romeo 1985 aus.
Alfa Romeo Giulietta im Frühjahr 2014 – neue Modellvariante und erweiterte Ausstattung
Aktuelle Generation der Alfa Giulietta seit 2010 wieder im Programm
In vier Jahren weltweit über 210.000 Fahrzeuge verkauft
Die seit 2010 wieder ins Alfa Romeo Produktportfolio aufgenommene Giulietta punktet im aktuellen Modelljahr mit neuen Ausstattungspaketen sowie erweiterter Serienausstattung. So ist bei der seitdem mehr als 210.000 Mal verkauften Giulietta nun bereits in der Basisversion Impression das Infotainmentsystem Uconnect mit Touchscreen-Bedienung, MP3-fähigem CD-Player, Bluetooth-gesteuerter Freisprecheinrichtung für Mobiltelefone und Multifunktionstasten am Lenkrad serienmäßig an Bord. Außerdem leistet der Turbodiesel 2.0 JTDM 16V in Kombination mit dem Doppelkupplungsgetriebe Alfa Romeo TCT jetzt 129 kW (175 PS) und erfüllt die Emissionsnorm Euro 6.
Serienmäßig sind bei jedem Alfa Romeo Giulietta unter anderem sechs Airbags, elektronische Fahrdynamikregelung Alfa Romeo D.N.A., dynamische Stabilitätskontrolle VDC mit integriertem ABS, Kurven-Bremskontrolle, elektronische Differenzialsperre, Klimaanlage, elektrisch verstell- und beheizbare sowie Rückleuchten mit LED-Technologie an Bord. Der Basisversion Impression (ab 19.950 Euro) vorbehalten ist das neue Ausstattungspaket gleichen Namens (Preis 1.000 Euro), das einige der beliebtesten Extras komfortabel zusammenfasst. So lässt sich der Alfa Romeo Giulietta mit 16-Zoll-Leichtmetallfelgen, Lederlenkrad, Außenspiegelkappen in glänzendem Chrom und dunklem Interieur optisch weiter aufwerten. Ergänzend sind Nebelscheinwerfer im Paket enthalten. Im Vergleich zu den Einzelpreisen der Komponenten bietet das Ausstattungspaket Impression einen Kundenvorteil von 355 Euro.
Der Alfa Romeo Giulietta Turismo (ab 21.900 Euro) bietet serienmäßig unter anderem 16-Zoll-Leichtmetallräder, Klimaautomatik sowie Sitzbezüge in der hochwertigen Stoffvariante „Competizione“. Speziell auf die besonderen Anforderungen von Vielfahrern ausgerichtet ist die neue Ausstattungsvariante Business (ab 23.635 Euro). Zur erweiterten Serienausstattung gehören gerade bei langen Touren besonders angenehme Details wie elektrische Lordosenstützen in beiden vorderen Sitzen, Geschwindigkeitsregelanlage (Cruise Control) sowie Mittelarmlehne vorne. Das Sichtpaket mit Licht- und Regensensor, automatisch abblendendem Innenspiegel und elektrisch anklappbaren Außenspiegeln erhöht Komfort und Sicherheit noch weiter. Zusätzlich kommt auch der Beifahrer in den Genuss eines höhenverstellbaren Sitzes.
Für den Alfa Romeo Giulietta stehen vier Turbobenziner mit einem Leistungsspektrum von 77 kW (105 PS) bis 177 kW (240 PS) sowie drei Turbodiesel zur Wahl, die zwischen 77 kW (105 PS) und 129 kW (175 PS) leisten.